Langen – Wenn am nächsten Sonntag mehr als 60 Millionen Wahlberechtigte ihr Votum abgeben, um den 20. Deutschen Bundestag zu wählen, fließen die Meinungen der unter 18-Jährigen nicht mit ins Ergebnis ein. Um dennoch einen Einblick zu bekommen, wie ihre Schülerinnen und Schüler abstimmen würden, wenn sie dazu berechtigt wären, finden an der Dreieichschule und der Erich-Kästner-Schule (EKS) für körperliche und motorische Entwicklung sogenannte Juniorwahlen statt.
„Wir haben im Politikunterricht das Wahlsystem besprochen, Videos der Kanzlerkandidaten geschaut und den Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme herausgearbeitet“, fasst Gesine Siebold die Vorbereitungen an der Dreieichschule zusammen. An dem Gymnasium findet das Format bereits zum wiederholten Male statt und noch immer seien die Schülerinnen und Schüler sehr angetan von der umfangreichen und realitätsnahen Demokratie-Übung. Tatsächlich stelle die diesjährige Wahl für viele sogar eine regelrechte Zäsur dar, sagt Siebold. Schließlich „kennen viele aus eigener Erfahrung nur Frau Merkel als Bundeskanzlerin, die finden das richtig spannend, wer jetzt ihr Nachfolger wird“.
Doch nicht nur das motiviert die knapp 1 000 Schülerinnen und Schüler der siebten bis zwölften Klassen, die – mit eigenen Wahlbenachrichtigungen, Stimmzetteln und Urnen ausgestattet – an der Dreieichschule zur Wahl aufgerufen sind. Hört man sich in Siebolds Politik-Leistungskursen um, bekommt man noch weitere Begründungen zu hören, weshalb die Aktion so gut ankommt. Die Juniorwahl sei eine gute Gelegenheit, „um die Differenzen der politischen Interessen zwischen jungen Erwachsenen und Erwachsenen gegenüberzustellen“, meint etwa die Zwölftklässlerin Mikasa. Mitschülerin Isha teilt diese Einschätzung der Juniorwahl als einem hilfreichen Stimmungsbarometer für junge Menschen, „schließlich sind die Kinder von heute die Zukunft von morgen“. Und Elftklässlerin Sonya freut sich, dass „uns die Chance gegeben wird, auch eine Stimme abzugeben und gehört zu werden“.
An der EKS hingegen betritt man mit der Teilnahme an der Juniorwahl Neuland. Mit 29 Schülerinnen und Schülern aus vier Klassen, allesamt um die 14 Jahre alt, fällt die Zahl der Wählenden deutlich kleiner aus. Zur Vorbereitung wurde im Unterricht neben „den Wahlgrundlagen ebenfalls der Unterschied zum amerikanischen Wahlsystem behandelt sowie der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung ausprobiert“, erzählt Lehrerin Evelyn Beer. Viele ihrer Schülerinnen und Schüler säßen im Rollstuhl und mit der Teilnahme an der Juniorwahl „wollen wir zeigen, wie wichtig es ist, dass sie an diesem Ereignis partizipieren und Demokratie leben können“. Ihre Schülerinnen und Schüler sollen „wissen, dass sie genauso wählen dürfen wie alle anderen auch“, verdeutlicht sie die Motivation. „In Zeiten von Inklusion zeigen wir, dass wir nicht an der Seite der Gesellschaft stehen, sondern mittendrin“, ergänzt Schulleiterin Heike Huck die Bedeutung der Teilnahme der EKS an den Juniorwahlen.
Die inhaltlichen Schwerpunkte seien in allen teilnehmenden Klassen mit Abstand die Themen Klimawandel und Umweltschutz, Schule und Bildung sowie die Teilhabe von Menschen mit Behinderung, berichtet Beer. Konkret bei den Schülerinnen und Schülern nachgefragt, finden etwa Jessica und Burak es wichtig, „sich gegen Rassismus einzusetzen“, Mitschülerin Luise fordert wiederum mehr Geschlechtervielfalt. Und Serap, Tobias und Berkan erwarten von der Politik Antworten auf die Fragen nach Armut, Frauenrechten und sozialer Benachteiligung. All diese Themen und mit Sicherheit noch einige mehr werden in der Nach-Wahl-Analyse ihren Platz finden, wenn im Unterricht über die Ergebnisse der „echten“ Bundestagswahl im Vergleich mit der Juniorwahl gesprochen wird.
Quellenangabe: Langener-Zeitung vom 22.09.2021, Seite 23
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